Irdische Begierden in Erleuchtung verwandeln

Irdische Begierden in Erleuchtung verwandeln

In unserer heutigen Gesellschaft wird Glück oft gleichgesetzt mit der Erfüllung unserer Wünsche, sei es eine glückliche Beziehung, eine erfüllende Arbeit, die uns auch finanziell absichert oder einfach möglichst viel Freizeit, um unseren Hobbys nachgehen zu können. So bemühen wir uns für die Verwirklichung unserer Ziele, um irgendwann festzustellen, dass auch deren Erfüllung uns letztlich nicht glücklich macht oder dass das „Objekt unserer Begierde“ ebenso schnell verschwindet, wie es gekommen ist.

Im Buddhismus heißt es, dass es unsere Wünsche, Begierden und Abhängigkeiten sind, die unsere Leiden verursachen. Weil alles im Leben vergänglich ist und sich ständig verändert, führen Abhängigkeiten von Dingen oder Menschen immer dazu, dass wir unglücklich werden, weil wir sie eines Tages zwangsläufig verlieren werden. Die Verwirklichung von persönlichen Wünschen mit Glück gleichzusetzen ist daher eine Illusion. Deshalb wurde in den frühen buddhistischen Lehren gelehrt, nur die vollständige Befreiung von Begierden führe zur Erleuchtung und zu wahrem Glück. Das Leben in den neun Welten wurde als getrennt vom Zustand der Buddhaschaft angesehen, daher konnten irdische Begierden niemals zur Erleuchtung führen.

Shakyamuni zeigte jedoch auf, dass es nicht darum gehen kann, persönliche Wünsche und Ziele, die zwar auf Illusionen aufbauen, aber dennoch Teil unseres Menschseins sind, auszulöschen. Laut Nichiren geht es vielmehr darum, sie durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo als „Brennholz für die Erleuchtung“ zu nutzen. Dies ist das Prinzip „Irdische Begierden in Erleuchtung verwandeln“.

So erläutert Nichiren: „Nichiren und seine Anhänger, die jetzt Nam-Myoho Renge Kyo rezitieren, verbrennen das Brennholz irdischer Begierden und bringen das Weisheitsfeuer der Erleuchtung hervor.“ (OTT, 10) Und an anderer Stelle sagt er: „,[irdische Begierden] ablegen‘ bedeutet ‚im Zusammenhang mit [irdischen Begierden] erleuchtet werden‘“. (OTT, 174) Der Begriff „Ablegen“ heißt also nicht, dass wir versuchen sollten, ohne Wünsche oder Sehnsüchte zu leben. Dann wäre unser Leben trist und freudlos. „Verwandeln“ im Prinzip von „Irdische Begierden in Erleuchtung verwandeln“ bedeutet in der Lehre von Nichiren Daishonin vielmehr, das in unseren Begierden liegende Potenzial zu erkennen und als Antriebskraft für die Verwirklichung unserer Buddhaschaft zu nutzen. Das heißt konkret, über jede Frage und jeden Wunsch ausreichend zu chanten, Weisheit zu entwickeln und mutig zu handeln. Wenn wir dann unsere Ziele realisiert und unsere Schwierigkeiten überwunden haben, haben wir uns auch als Mensch weiterentwickelt. Das kann vielen anderen Menschen Mut und Hoffnung geben, ihr Leben auch mit der buddhistischen Ausübung zu verändern. So bringen wir nicht nur die Buddhaschaft in unserem eigenen Leben zum Strahlen, sondern helfen auch anderen Menschen, das zu tun.

Vielleicht denken manche, dass es oberflächlich sei, für die Erfüllung von Wünschen zu beten. Doch eine Religion, die es den Menschen nicht ermöglicht, ihr Leben zu verändern, ist kraftlos. Die buddhistische Ausübung existiert, damit wir „Frieden und Sicherheit in der gegenwärtigen Existenz“ und „gute Umstände in zukünftigen Existenzen“ genießen können. Es geht darum, in unserem täglichen Leben Wert zu schaffen.

Daisaku Ikeda erläutert dies wie folgt: „Die wesentliche Aussage des Mahayana-Buddhismus ist, einen Zustand im Leben zu entwickeln, in dem wir klar unsere Abhängigkeiten erkennen und vollkommen nutzen, und ein Leben führen, welches dadurch interessant und bedeutungsvoll wird, dass man starke Abhängigkeiten „kultiviert“. Kurz gesagt, wir sollten das Feuer unserer menschlichen Wünsche sehr stark schüren und im gleichen Maße aufrichtiges Daimoku rezitieren und handeln. Dann werden unsere menschlichen Wünsche zu einem Sprungbrett zur Verwirklichung unserer Buddhaschaft. (…) Bei diesem Prozess entwickeln wir uns von einem Zustand, in dem wir uns nur mit unseren kleinen Sorgen befassen, dahin, dass wir immer größere Schwierigkeiten annehmen können – diesmal für einen Freund, für viele andere, für die gesamte Menschheit.“ (Vorlesungen LS, S. 70 f.)


aus: Impulse für die tägliche Ausübung. Buddhismus heute



Zum Weiterlesen und Vertiefen:

Aufzeichnung der mündlich überlieferten Lehren, (OTT, 10 und OTT, 174)

Vorlesungen über das Lotos-Sutra, S. 67 – 71