Die Einheit von Körper und Geist
Wo „wohnt“ menschliches Leben? Jedes Kind weiß, wo sein Herz oder sein Gehirn ist, aber wenn man es fragt, wo das Leben sitzt, muss es innehalten und nachdenken – genau wie jeder Erwachsene. Der menschliche Organismus birgt eine erstaunliche Vielzahl von messbaren Wundern. Die Gesamtlänge der Blutbahnen eines Erwachsenen beträgt beispielsweise etwa 96.000 Kilometer – das ist mehr als der doppelte Erdumfang. Bei jedem Atemzug aktivieren wir rund 300 Millionen Lungenzellen. Aber der wunderbarste Aspekt all dieser großartigen Leistungen ist die Harmonie, in der die vielen Zellen und Organe zusammenwirken, um ein lebendes Wesen mit einem eigenen kreativen Geist zu schaffen.
Dass Körper und Geist eine Einheit bilden, gehört zum Allgemeinwissen. Die buddhistische Philosophie blickt aber tiefer und sieht Körper und Geist als zwei unterschiedliche Ausprägungen derselben letztendlichen Wirklichkeit des Lebens. Diese bringt nicht nur den Körper hervor und bewirkt die Harmonisierung seiner vielen Einzelbestandteile. Sie zeigt sich darüber hinaus auch in den Gedanken und Gefühlen.
Das Prinzip der Einheit von Körper und Geist bringt der japanische Begriff „shiki shin funi“ zum Ausdruck. „Shiki“ bezieht sich auf alle wahrnehmbaren Dinge und materiellen Phänomene, einschließlich des menschlichen Körpers. „Shin“ bezeichnet alle geistigen Aspekte, Verstand, Gefühle und Willen eingeschlossen. „Funi“ ist die Abkürzung für „nini funi“, was „zwei und doch nicht zwei“ bedeutet. Nichiren beschreibt diese Einheit folgendermaßen: „Das Geistige und das Physische, die in ihrem Wesen eins sind, manifestieren sich als zwei unterscheidbare Aspekte.“ (SND-1, 106)
Die körperlichen und geistigen Aspekte unseres Lebens sind untrennbar verbunden, weil sie gleichermaßen Ausdrucksformen letztendlichen Wirklichkeit sind. Oder anders gesagt, sind sie Ausdrucksformen des Mystischen Gesetzes von Myoho-Renge-Kyo. „Das Leben eines jeden Moments umfasst Körper und Geist (…) und selbst die kleinsten Staubpartikel. Das Leben eines jeden Moments durchdringt das gesamte Reich der Phänomene und offenbart sich in allen Phänomenen.“, so formuliert es Nichiren (SND-1, 3).
Wenn man sich freut, leuchten die Augen und man geht leicht und beschwingt; eine gebeugte Haltung verrät uns, dass jemand niedergeschlagen ist. Krankheiten wie Allergien und Asthma werden mit innerem Stress in Verbindung gebracht. Aber wenn etwa Depressionen die Widerstandskräfte des Körpers schwächen und uns so für Krankheiten anfällig machen, dann muss umgekehrt doch auch eine positive Energie und Haltung unsere Organe und Zellen dazu animieren, wieder zu gesunden.
Wenn wir krank sind, ist es selbstverständlich wichtig, dass wir medizinische Hilfe suchen und achtsam mit unserem Körper umgehen. Doch durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo aktivieren wir in der Tiefe unseres Lebens die große Kraft des Mystischen Gesetzes. Sie durchdringt dann unseren Körper und Geist und harmonisiert alle körperlichen und geistigen Aspekte. Wenn unsere Lebenskraft schwach ist, werden alle Zellen den Kampf gegen die Erreger aufgeben. Aber durch die starke Lebenskraft, die wir durch das Rezitieren von Myoho-Renge-Kyo hervorholen, wird sich sofort jeder Nerv und jede Faser unseres Seins auf das Ziel hin ausrichten, zu gesunden.
Daisaku Ikeda zeigt uns noch einen tieferen Aspekt von Gesundheit auf. Er schreibt: „Körperlich und geistig gesund zu sein, heißt kraftvoll zu leben und sich mit ganzem Herzen der Erfüllung seiner Aufgabe in dieser Existenz zu widmen. Es bedeutet, dass wir – solange wir leben und selbst wenn uns eine Krankheit übermannen sollte – weiter Daimoku chanten und anderen vom Mystischen Gesetz erzählen. Es bedeutet, mit ganzer Kraft durch alle Ewigkeit für unsere Aufgabe zu leben. Einen solchen Glauben zu haben bedeutet, [wie es im Lotos-Sutra geschrieben steht] einen Lebenszustand‚ frei von Alter und Tod‘ zu besitzen.“ (DLS 6, 9 f.)
aus: Impulse für die tägliche Ausübung. Buddhismus heute
Zum Weiterlesen und Vertiefen:
Die Schriften Nichiren Daishonins, Bd. 1, S. 3 und S. 106
Das Buch vom Glück, S. 174 – 181
Dialoge über das Lotos-Sutra, Bd. 6, S. 9 f. und S. 21 – 26